Vergangenheit


Zürcher Untertanen

1549 verkaufte der Johanniterorden die Komturei an den Stadtstaat Zürich. Die Bewohner mussten daher als Untertanen den reformierten Glauben annehmen, der die einzige und offizielle Religion in Zürich (wo Zwingli die Reformation durchgesetzt hatte) war. Im Süden und Westen grenzte die Landvogtei Wädenswil jedoch unmittelbar an das Gebiet der katholischen Orte Zug und Schwyz, sodass auch nach den beiden Religionskriegen von 1529 und 1531 (Kappeler Kriege) nach wie vor grosse Spannungen entlang der Grenze herrschten. Die Reformation hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Priestern zwar die langersehnte Befreiung vom Zölibat gebracht; für die Bevölkerung aber blieb vieles beim alten: Die Macht in den Gemeinden übten nun die reformierten Pfarrer aus, welche für die zürcherische Obrigkeit auch gleich die Bevölkerung unter Kontrolle hielten. So waren sie für die Zählung und Registrierung der Bevölkerung zuständig; der sonntägliche Gottesdienst (zu dem alle zu erscheinen hatten) diente zudem als öffentliches Publikationsorgan.

Verfolgungen…

Für einzelne Christen ging die Reformation jedoch zu wenig weit. Sie interpretierten die nun offiziell in die deutsche Sprache übersetzte Bibel anders. Sie lehnten die Kindestaufe als grossen Irrtum ab und erachteten die Taufe erst nach der freien Entscheidung des Täuflings (also des mündigen, über das Evangelium unterrichteten Erwachsenen) als richtig. Man nannte sie daher die Täufer (oder Wiedertäufer). Da die Täufer zudem vom Besuch des Gottesdienstes der reformierten Pfarrer abrieten und Gehorsam letztendlich nur Gott gegenüber gelobten, erachtete die weltliche und kirchliche Obrigkeit die Täufer als grosse Gefahr. Sie wurden hartnäckig verfolgt und zu „bekehren“ versucht. Täufer, welche ihrem „Irrglauben“ nicht abschwörten, wurden in Zürich eingekerkert; die Täuferprediger wurden in der Limmat ertränkt. Die Täufer versuchten sich daher so gut wie möglich zu verstecken. Dabei war die hügelige Gegend oberhalb des Zürichsees eines der Rückzugsgebiete der Verfolgten. „Zu Ende des Jahres 1639 übernahm die aus Zürcher Ratsmitgliedern gebildete Täuferkommission die Führung der Täufergeschäfte und strebte sogleich eine radikale Lösung an. Am 5. Dezember 1639 beschloss die Kommission, alle Täufergüter zu konfiszieren und Jagd auf alle Täufer zu machen, welche noch nicht im Gefängnis sassen“ (Hans Ulrich Pfister: Die Auswanderung aus dem Knonaueramt 1648-1750). Dies hatte zur Folge, dass die Täufer auszuwandern suchten.

…und Armut

Doch auch Nicht-Täufer waren im 17. und 18. Jahrhundert vermehrt gezwungen, auszuwandern. „Nach den letzten grossen Pestepidemien von 1611, 1629 und in geringerem Ausmass noch einmal 1635 setzte ein stetiges Bevölkerungswachstum ein, das zu einem starken Bevölkerungsdruck führte und erst um das Jahr 1690 abrupt gestoppt wurde. In den Jahren 1691 bis 1693 erlebte der Kanton Zürich die grösste Hungersnot der neueren Geschichte. Krisen in den verschiedensten Bereichen traten gleichzeitig auf und trafen mit geballter Wirkung die teilweise auf dem Existenzminimum lebende Bevölkerung“ (Hans Ulrich Pfister: Die Auswanderung aus dem Knonauer Amt 1648-1750).

Fluchtziele: Die Pfalz…

Viele Zürcher Flüchtlinge wanderten in die Pfalz (in der heutigen Bundesrepublik Deutschland), das heisst in die Gebiete links und rechts des Rheins in der Umgebung von Heidelberg, im Kraichgau und in der Gegend von Neustadt an der Weinstrasse aus. Nach dem Dreissigjährigen Krieg wollte Kurfürst Karl Ludwig die Einwohnerzahl seines Landes möglichst rasch steigern. Er lud deshalb auch Fremde zur Niederlassung in seinem Land ein. Verwicklungen der Pfalz in die Kriege mit Frankreich, Schlachten des Holländischen Krieges und Verwüstungen der Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg hinterliessen danach wiederum ihre Spuren. Zitieren wir nochmals Hans Ulrich Pfister in seinem Buch über die Auswanderung aus dem Knonauer Amt: „Durch eine starke Auswanderung und durch den Tod vieler Bürger während des Pfälzischen Erbfolgekrieges erlitt die Pfalz grosse Menschenverluste, die sich beim neuerlichen Wiederaufbau bemerkbar machten. Die Beseitigung der Zerstörungen war wieder nur mit einem grossen Arbeitsaufwand zu bewerkstelligen, wozu erneut fremde Arbeitskräfte beigezogen werden mussten“.

Den Rhein hinunter nach Rotterdam

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Der Rhein wird auch als „Fluss des Schicksals“ bezeichnet. Da er durch die religiös-tolerantere Pfalz und die Niederlande fliesst, bot er den Mennoniten, die vor Verfolgung und anderen Schwierigkeiten flohen, einen bequemen Fluchtweg.
Die ersten Stricklers, die in die USA auswanderten, kamen hauptsächlich aus der Schweiz. Sie waren Teil einer Mennoniten-Gemeinschaft, die im 18. Jahrhundert aus religiösen Gründen in die Pfalz und die Vereinigten Staaten emigrierten.
Da die Pfalz und die umliegenden Gebiete wiederholt von den Franzosen überfallen wurden, hatte dies massive Verwüstungen und Hungersnöten für die dort lebende Bevölkerung zur Folge. Ausserdem drohte eine religiöse Verfolgung.
Bei guten Flussverhältnissen hätte die Fahrt rheinabwärts von Worms nach Rotterdam nur vier oder fünf Tage gedauert. Auf der Strecke gab es jedoch viele Mautstationen. Anfang des 17. Jahrhunderts waren vielleicht dreissig davon in Betrieb. Neben der Erhebung von Mautgebühren und der Durchsuchung der Schiffe verzögerten die Anlegestellen die Schiffe lange genug, um die Passagiere zu „ermutigen“, Geld bei den Kaufleuten der Burg auszugeben.

Die Atlantiküberquerung

In Rotterdam mussten Reisewillige nach Amerika Vorkehrungen treffen, um ein Schiff für die Atlantiküberquerung zu besteigen. Dieser Prozess dauerte wahrscheinlich mehrere Wochen oder mehr, je nach Jahreszeit. Zum Glück für mennonitische Reisende denn in den 1700er Jahren gab es in den Niederlanden eine beträchtliche Anzahl von Mennoniten, von denen viele als Kaufleute zu Wohlstand gekommen waren. Und diese wohlhabenden holländischen Mennoniten waren für ihre mitfühlende Grosszügigkeit bekannt, besonders im Hinblick auf die leidenden Brüder in anderen Ländern. Der holländische Hilfsfonds für ausländische Nöte wurde 1726 als ständiger Fonds eingerichtet, um notleidenden Mennoniten in und aus anderen Ländern zu helfen. Zweifellos fanden viele Mennoniten, die in den Niederlanden auf die Überfahrt nach Amerika warteten, Zuflucht in den Häusern mitfühlender niederländischer Mennoniten. Und aus dem holländischen Hilfsfonds wurden die Gebühren für die Schiffspassage für viele der bedürftigsten mennonitischen Flüchtlinge bezahlt, die religiöse Toleranz, Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand in Amerika suchten. Die Passage für einen Erwachsenen kostete zwischen fünf und zehn Pfund Sterling. Kinder kosteten weniger.
Die meisten Passagierschiffe überquerten den Atlantik in der Mitte des Jahres, vom späten Frühjahr bis zum frühen Herbst, von Mai bis Oktober. Wenn die Wetter- und Windverhältnisse günstig waren, konnte die Reise bis zu sieben Wochen dauern, aber acht bis zwölf Wochen waren die Regel. Gelegentlich brachten extreme Wetterbedingungen ein Schiff vom Kurs ab und die Reise dauerte noch länger.
Das Schiff Friendship of Bristol startete am 20. Juni 1727 in Rotterdam, machte in Cowes (England) Zwischenstation und kam am 16. Oktober 1727 in Philadelphia an. Kapitän war John Davies aus Rotterdam und es beförderte etwa 200 Personen, darunter sechsundvierzig Pfälzer mit ihren Familien. Aufgelistet sind unter anderem: Heinrich Strickler (16) und Henry Strickler (42).
Am 29. Juni 1737 stach die Charming Nancy in See. In Plymouth (England) verbrachten sie neun Tage und luden zusätzliche Vorräte und Passagiere ein. Am 17. Juli 1737 begann sie ihre lange Reise nach Amerika. Das Schiff war in Philadelphia, Pennsylvania gebaut worden, das damals zu den Kolonien Grossbritanniens in Nordamerika gehörte. Sie war 115 Tonnen schwer und wurde am 18. November 1736 zu Wasser gelassen. Es war auf John Stedman, Alexander Andrew und George Catanach registriert. Alle drei Männer stammten aus London. Johns Bruder, Charles Stedman, sollte das Schiff auf seiner Reise als Kapitän führen. An Bord waren angeblich 250 Passagiere, darunter: Hans Jacob Streckler (109), Ulrick Streckler (110), Maria Catrina Strickler (239), Barbara Strickler (240) und Anna Strickler (241).
Über die Bedingungen auf diesen Schiffen ist viel geschrieben worden. In einigen Fällen war die Reise relativ einfach, wenn das Wetter günstig war und der Kapitän und die Mannschaft anständige Leute waren. Aber viele dieser Reisen waren alptraumhaft und die Lebensbedingungen auf vielen Schiffen waren beklagenswert: Man kann daher mit Sicherheit sagen, dass die 30’000 deutsch-schweizerischen Einwanderer, die zwischen 1700 und der Zeit bis zum Revolutionskrieg hier ankamen, nicht mehr als zwei Drittel oder drei Viertel derjenigen waren, die sich auf den Weg nach Amerika machten.

Nachfolgend finden sie Notizen über die Reise von Rotterdam nach Philadelphia. Sie wurden von Bischof Hans Jacob Kauffman auf einen alten Schweizer Kalender geschrieben, der später in einer Bibel entdeckt wurde.
Am 28. Juni, als wir uns in Rotterdam zur Abfahrt bereit machten, starb mein Zernbli und wurde in Rotterdam begraben. Am 29. gingen wir unter Segel und hatten nur 1-1/2 Tage günstigen Wind. Am 7. Juli, früh am Morgen, starb Hans Zimmermans Schwiegersohn. Wir landeten am 8. Juli in England und blieben neun Tage im Hafen, in denen fünf Kinder starben.
Am 17. Juli gingen wir unter Segel. Am 21. Juli starb mein eigenes Lisbetli. Sieben Tage vorher war Michaels Georgli gestorben. Am 29. Juli starben drei Kinder. Am 1. August starb mein Hansli, und am Dienstag davor starben fünf Kinder. Am 3. August wurde das Schiff vom ersten bis zum 7. des Monats von widrigen Winden heimgesucht, drei weitere Kinder starben. Am 8. August starb Shambiens Lizzie und am 9. starb Hans Zimmermans Jacobi. Am 19. starb das Kind von Christian Burgli. Am 21. passierten wir ein Schiff. Es kam ein günstiger Wind auf. Am 28. starb die Frau von Hans Gasi.
Am 13. September passierten wir ein Schiff. Am 18. landeten wir in Philadelphia, und am 19. verliessen meine Frau und ich das Schiff. Am 20. wurde uns ein Kind geboren – es starb – die Frau erholte sich. Eine Reise von 83 Tagen.
Aus Kauffmans Bericht wird das Leid an Bord der Charming Nancy deutlich. Viele Menschen starben, vor allem Kinder. Ihre Leichen wurden auf See „begraben“. Nach zwei Monaten auf dem Atlantik muss die Sichtung von Philadelphia ein Grund zum Jubeln gewesen sein.

Ankunft in Amerika

Wenn ein Schiff mit Einwanderern in den Hafen von Philadelphia einlief, war das Drama noch nicht vorbei. Die Befugnis zum Entern lag bei den Gesundheitsbeamten von Philadelphia und dem Kapitän des Schiffes. Und in den späten 1720er Jahren und danach mussten alle Männer ab 16 Jahren den Treueeid auf den König von Grossbritannien unterschreiben, bevor Ihnen die Einreise in die Kolonie erlaubt wurde.
Zunächst wurden die Passagiere von einem zugelassenen Hafenarzt auf ansteckende Krankheiten untersucht. Einige von ihnen, die die monatelange Reise überlebt hatten und so weit gekommen waren, überlebten es nicht, die Schiffe zu verlassen. Andere wurden auf den Schiffen gelassen, bis sie auf gefährliche ansteckende Krankheiten untersucht werden konnten. 1743 errichtete Philadelphia auf Province Island im Delaware River ein Lazarett, in dem kranke Schiffspassagiere unter Quarantäne gestellt wurden.
Zweitens mussten die Passagiere ihre Schulden beim Kapitän des Schiffes begleichen. Wenn sie es sich leisten konnten, durften sie das Schiff verlassen, sobald sie ihre finanziellen Verpflichtungen beim Kapitän beglichen hatten. Viele von ihnen waren jedoch nicht in der Lage, die erforderliche Zahlung zu leisten. Selbst wenn sie ihre Heimat mit Geld verliessen, waren ihre Mittel oft aufgebraucht, bis sie alle Zollgebühren und andere Ausgaben im Zusammenhang mit den verschiedenen erforderlichen Anlandungen und Verzögerungen auf dem Weg von zu Hause zum Atlantik bezahlt hatten.
Ein Forscher schätzt, dass etwa die Hälfte der deutschsprachigen Einwanderer gezwungen war, ihre Dienste für mehrere Jahre als Diener an wohlhabende Herren zu verkaufen, um von ihren Schiffen entlassen (in die Obhut des Herrn) zu werden. Diese Vertragsbediensteten wurden als „Ablöser“ bezeichnet, weil sie ihre Freiheit zurückkaufen mussten.
Einige Passagiere, die die Überfahrt bezahlen konnten, hatten nur wenig oder gar kein Geld. Und wenn sie keine Familie oder Freunde hatten, die in Amerika auf sie warteten, waren sie gezwungen, einen Weg zu finden, um im nahenden Winter zu überleben. Viele von ihnen waren gezwungen, auf der Strasse und von Haus zu Haus zu betteln, bis sie in Amerika eine Möglichkeit fanden, sich selbst zu versorgen.